Tierfreier Tiergeschmack

10.04.2014 19:57

 

Mahlzeit, Menschen!

 

Die meisten von Euch füllen die Sinnleere ihres Daseins, indem sie sich Tiere (außer Ihresgleichen) einverleiben. Dabei könntet Ihr als Omnivoren alles Verdauliche und Garbare verspeisen. Doch wollt Ihr trotz Eures Artenfressens löblich erscheinen, weshalb einige von Euch Tieren wenigstens dadurch kein Leid und Verderben zufügen, indem sie sie essen. Die noch Inkonsequenteren hingegen vertilgen alles vom Tier außer das Tier selbst. Doch selbst den beim Artenfressen Konsequenten genügen hunderte tierfreie Gerichte nicht, nein: wenn sie schon kein Tottier aufzehren, muss es wenigstens trotzdem nach Tottier schmecken! Weil Ihr Euch den anderen Tieren gegenüber sonst nicht überlegen fühlt? Auf jeden Fall und da Ihr eben Menschen seid, stört Ihr Euch an diesem Widerspruch nicht, sondern verkauft Euch stattdessen gegenseitig einen Tofuklops für einen Braten.  

Ich habe mir den Spaß gemacht, meinen Strohmann in der menschlichen Vergangenheit Eure Topprodukte aus dem Segment Tierkadaver-Imitate probieren zu lassen und ihm zwecks richtigen Urteilens mein Vernunftsmodul geliehen. Möge sein Urteil Euch nicht schmecken!

 

Hat sich mit Pflanzenzellen und Fadenwürmern an die Weltherrschaft gefressen und grüßt Euch lecker:

Euer Bärtierchen

 

 

"Bratplatte" mit "Schnitzel Wieder Art", flankiert von "Bratwurst" und "Winzi-Weenies"

 

 

Virginia Steak

Optik und Konsistenz

Ähnelt einem älteren, rotgepfefferten Thunfischfilet. Klebt beim Braten auffallend lange in dicker Pfanne fest, fällt beim Zerschneiden frikadellengleich auseinander.

Geschmack

Die scharfe Würze drängt das typisch schale und (immerhin) kurzangebundene Fleischimitat-Aroma in den Hintergrund. Bemerkenswert saftig, aber nicht nur durch die Weichheit der Weizenmasse von Rindfleisch mit seiner dichten Faserung noch viel weiter entfernt als von Geflügel und gehacktem Schwein.

Gesamturteil

Bildet Ćevapčići ungleich besser nach als dies für ein Steak gelingt. Befeuert man ein Billigfleischimitat mit einer argentinischen Würzmischung, kann man dem Geschmackserlebnis "Virginia Steak" nahekommen.

 

Schnitzel Wiener Art

Optik und Konsistenz

Zwei kleine rechteckige Stücke, aber doppelt so dick wie ein Wiener Schnitzel.  Die cornflakesfarbene Panade nimmt in der Pfanne gut Farbe an;  doch reagiert die Form weder aufs Braten noch aufs Zerschneiden. Die Quader entspannen sich nach dem Braten so gut wie Pressfleisch.

Geschmack

Die Panade ist für ein Fertigprodukt passabel kross, wenn auch ohne Ei Lockerheit und Aroma sparsam ausfallen. Die Fleischersatzmasse innen bewegt sich aromatisch zwischen mildem, im Abgang dominanterem, Bittergeschmack und, bei gutem Willen, der Geschmacksschwäche von Geflügel aus vollautomatischer Herstellung. Eine Absicht, den Gout des fürs namensspendende Gericht verwendeten Schweines nachzuahmen, ist nicht erschmeckbar.

Gesamturteil

Überdurchschnittliches Fleischimitat, aber mehrere Schweinelängen von Verwechselungsgefahr mit Qualitätsfleisch entfernt. Kein Schnitzel nach der Art von Schnitzel Wiener Art.

 

Bratplatte

Enthält neben obigem Schnitzel in Miniaturausführung "Die Bratwurst" und drei "Winzi-Weenies".

Optik und Konsistenz
Die "Bratwurst" ist dickgefüllt, schnurgerade und innen nur etwas weicher als eine richtige Bratwurst. Die "Weenies" ähneln äußerlich Cocktailwürstchen, dem Mundgefühl fehlt aber das Knackerlebnis beim Reinbeißen.

Geschmack
Paprika dominiert die Masse der "Bratwurst", weitere Aromen sind außer dem plump-fahlen Eigengeschmack kaum zu erschmecken. Auch die "Weenie" enthält reichlich rotes Pulver, außerdem und wenig stimmig könnten Kräuter enthalten sein, wie man sie für Weiß- oder Gelbwurst verwendet.

Gesamturteil
In der "Bratwurst" mag der unwissende Koster mit gutem Willen Wurstbrät extra niedrigen Fleischanteils vermuten. Die "Weenies" kommen einer Nierenwurst halbwegs nahe, würden sich als deren Imitat aber schwerlich verkaufen.