Des Anführers Ehre

31.08.2013 16:19

Liebe Menschis!

 

Ich weiß nicht, ob das eine gebührliche Anrede Eurer ist, aber es kommt mir so vor, wenn ich mir anschaue, wie Ihr zu Eurer Zeit so geschrieben  habt. Heute habe ich eine Geschichte von der Art für Euch, wie sie Eure Geschichtenkenner Parabel nennen.

 

In Liebe:

Euer Bärtierchen

 

 

Des Anführers Ehre

Finn-Leon war zum Anführer seiner Kindergarten-Spielgruppe Marienkäfer gewählt worden, weil er sich bei Streits für Gerechtigkeit und die Schwachen einsetzen wollte.
In der Nachbargruppe Schmetterling hieß der Anführer Jonas-Maximilian und beanspruchte alle Förmchen für den Bau einer mächtigen Sandburg. Die Mädchen ließ er Sandkuchen für sich backen, während er die Köpfe der männlichen Kindkollegen in den Sand steckte, wenn sie nicht genug davon zum Bau der Burg formten.


Die Burg war fertig und prächtig geworden.  Jonas-Maximilian setzte sich stolz hinein und verbot den anderen den Zutritt. Nachdem der aufmüpfige Felix sie dennoch betreten hatte, balgten sich Jonas-Maximilian-Anhänger mit den Jungs, die ihm nun die Gefolgschaft verweigerten.  Die meisten rauften neben der Burg, wodurch deren Hauptteil unzerstört blieb.

Finn-Leon wollte eingreifen, denn er glaubte, das gerechteste Kind zu sein und daher über alle anderen bestimmen zu müssen. Doch die Erzieherinnen hatten verboten, sich in den Streit einer anderen Gruppe einzumischen; denn jede Gruppe müsse ihre Konflikte selbst lösen. Finn-Leons Gesicht lief rot an und er schwor Finn-Leon vor allen Kindern: "Wenn du jetzt noch Juckpulver verwendest, um zu gewinnen, mache ich deine Sandburg kaputt!"

Eine Stunde später - ein paar Kinder rauften immer noch -, schrie ein Schmetterlings-Junge auf, nachdem er sein vom vielen Balgen verschwitztes T-Shirt gewechselt hatte: "Mein Shirt juckt wie Sau! Jonas, du Arsch, das warst du!" Jonas-Maximilian jedoch bestritt die Tat und behauptete, der rothaarige Felix sei es gewesen, damit Finn-Leon eingreife und helfe, dass Felix Anführer würde.

Nun griffen die Erzieherinnen ein, die dies bisher aus pädagogischen Gründen abgelehnt hatten, befragten die Kinder und suchten Spuren von Juckpulver, um den Täter zu ermitteln. 

Auch in Finn-Leons Gruppe gab es Jungs, die gerne Anführer werden wollten; sie erinnerten ihn: "Du hast versprochen, dass du eingreifst, wenn Jonas-Maximilian Juckpulver hernimmt!" Finn-Lukas wusste, dass seine Spielplatzehre auf dem Spiel stand. So schlussfolgerte er bereits nach den Aussagen der Jonas-Maximilian-Gegner: "Du warst es, Jonas, du #°%&(, du!" Die Kindergärtnerinnen versuchten ihn zu beschwichtigen: Sie müssten unbedingt noch die übrigen Kinder befragen und die Finger aller auf Juckpulverspuren untersuchen. Außerdem sei niemandem geholfen, wenn er die Burg zerstöre. Schließlich hätten alle Schmetterlings-Kinder sie gebaut und daher verdient, in ihr zu spielen. Doch Finn-Lukas sprang bereits auf, lief zur Burg hinüber - und verwandelte ihren mächtigen Bergfried mit einem einzigen Fußtritt in einen traurigen Sandhaufen.

 

 

 

Kinder lernen Außenpolitik: Wessen Ehre verletzt wird, der darf des anderen Bauklötzchenturm kaputtmachen.