Alles über Pegida

05.01.2015 17:59

 

Liebste Debattenmenschen!

 

Wieviele Worte verliert Ihr seit Wochen und Monaten über den frustrierten Teil Eurer, der sich ein schwaches Opfer für seinen Frust gewählt hat! Wie viele Worte über eine Sache, aber sogar noch mehr Worte über die Debatte der Sache. So viele Worte insgesamt, dass die Wahrheit darin nicht mehr sichtbar ist. Zusammengenommen gibt es so viele halbwahre bis wirre Gedanken darüber, dass mein Beitrag unwahrgenommen in eurem Internet versinken wird. So kann ich Euch jedoch gefahrlos für mich  etwas darüber verraten, smiley.

 

In dem guten Wissen, niemals erhört zu werden:

Euer Bärtierchen

 

 

 

Alles über Pegida

1. Unbehagen

Ein immer größer werdender Teil von euch spürt, dass in euer Gesellschaft etwas grundsätzlich nicht mehr stimmt. Diese Menschen fühlen sich nicht mehr richtig zugehörig zur Gesellschaft: von der Ökonomisierung abgehängt, sozial ausgegrenzt und von der sog. Politik und den Medien nicht mehr ernst- oder gar nicht mehr wahrgenommen.

 

2. Ein Ventil muss her

Der dumpfe Teil der Unzufriedenen (oft mithilfe der NPD großgeworden) sucht sich als Ventil seines Unbehagens eine Menschengruppe, die sozial noch schlechter dasteht. Auf diese lässt sich gefahrlos treten. Am besten eignet sich dafür eine Randgruppe mit wohletablierten Klischees; denn auf eine solche Randgruppe lässt sich - weil man praktisch nichts über sie weiß - alles an Ressentiments projizieren, was das stumpfe Hirn hergibt. So eine Bewegung rekrutiert sich am besten aus jungen, unterbeschäftigten und sexuell unbefriedigten Männern. Dies ist Pegida.

 

3. Politik und Medien müssen reagieren

Eine Bewegung wie Pegida missfällt mit seinem lauten Protest der Politik und den Medien - v.a., weil sie den deutschen Ruf im Ausland und damit die Ökonomie gefährdet. Daher müssen Politik und Medien reagieren.

 

4. Die bequeme Reaktion

Am einfachsten reagiert man auf eine Weise, die keine Veränderungen notwendig macht. Echte Veränderungen jedoch müssten politisch gegen ökonomischen Widerstand durchgesetzt werden, und dies hat die Politik ja schon längst aufgegeben. Somit hat man weiterhin alles richtig gemacht, und mit ein paar Worten ist die Sache erledigt.

 

5. Das Problem trivialisieren

Die Reaktion lautet hier: Pegida ist lediglich das lokale Problem einer Ansammlung schlagstockdummer Nazis. Ist das Problem so eingeengt, muss man nicht in breiterem Rahmen nach Ursachen und  Lösungsmöglichkeiten suchen. Man braucht insbesondere nicht über den Umstand zu sprechen, dass der Anteil von Armen wie Reichen in der Gesellschaft immer größer wird; und dass es eine immer größere Anzahl von Menschen mit schlechten Chancen auf gute Bildung und gesellschaftliche Teilhabe gibt. Menschen, die teils  gar nicht mehr wählen gehen - was sie für die Politik nutzlos macht.

 

6. Reaktanz

Das Problem ist nur, wenn man solchen Menschen einfach nur mitteilt: Ihr seid dumme Gesäßgesichter, erreicht man bei ihnen lediglich, was die Psychologie seit Jahrzehnten unter dem Namen Reaktanz kennt: der Abgekanzelte fühlt sich herabgesetzt, bevormundet, noch weniger ernstgenommen (s.o.) und verstärkt seine Ressentiments weiter - was in einer Gruppe von Ausgeschlossenen noch viel besser funktioniert. Ja, man fühlt sich sogar zu einer elitären Minderheit gehörig, die als erstes die Zeichen der Zeit erkannt habe.

 

7. Reaktanz verhindern heißt nicht billigen

Dies bedeutet mitnichten und auf gar keinen Fall*, dass man man Pegida in irgendeinerweise Recht geben sollte - z.B. um den von ihr getretenen Minderheiten nicht noch mehr Leid aufzuerlegen. Aber man sollte wenigstens mehr Intelligenz, Witz und   Originalität   im Umgang mit so einer Bewegung walten lassen als diese sie besitzt.
Und über die dahinterstehenden Probleme wenigstens mal zu debattieren beginnen.

 

 

* für euer Verständnis, liebe Menschen, sind solche Redundanzen leider notwendig.